Milch – Das ideale Sportgetränk?

Timo Ülsmann // 03/08/2018 // 0 Comments
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Einleitung

In Geschäften für Sportlernahrung findet man eine riesige Auswahl an Nahrungsergänzungsmitteln zur Regeneration nach der sportlichen Belastung. Proteinshakes für den Muskelaufbau, isotonische Getränke mit Elektrolyten zur Wiederherstellung des Flüssigkeitshaushalts oder kalorienreiche Kohlehydratriegel zum Auffüllen der Energiespeicher. Will man die gesamten Regenerationsbedürfnisse seines Körpers über solche Nahrungsergänzungsmittel decken, kann das sehr schnell ins Geld gehen. Deshalb stellt sich die Frage, ob es nicht eine einfachere und vor allem günstigere Alternative gibt. Milch scheint mit seinen Proteinen, Aminosäuren, Fetten, Mineralien und Vitaminen eine gute Lösung zu sein (Saunders, M. J., 2011). Dieser Artikel beleuchtet den aktuellen Stand wissenschaftlicher Untersuchungen und klärt, ob Milch als Sportgetränk geeignet ist.

Ziele der Regeneration

Die Ziele der Regeneration nach der sportlichen Belastung sind vielfältig. Das übergeordnete Ziel ist die Wiederherstellung des physiologischen Gleichgewichts (Homöostase) der Proteinbalance, des Flüssigkeitshaushalts, des Energiehaushalts, des Hormonhaushalts etc.

Glycogenresynthese

Nach einer hohen Belastung, vor allem im anaeroben Bereich, sind die Glycogenspeicher der Muskulatur und der Leber nahezu leer. Um die Energiespeicher direkt nach dem Sport wieder aufzufüllen wird eine Menge von 1.2 bis 1.5 g Kohlehydrate pro kg Körpergewicht empfohlen (Karp, J. R., Johnston, J. D., Tecklenburg, S., Mickleborough, T. D., Fly, A. D., & Stager, J. M., 2006). Untersuchungen haben gezeigt, dass die Glycogenresyntheserate innerhalb der ersten zwei Stunden nach der Belastung am höchsten ist (Watson, P., Love, T. D., Maughan, R. J., & Shirreffs, S. M., 2008) und, dass diese Rate bereits zwei Stunden nach Beendigung des Sports um die Hälfte reduziert sein kann (Karp et al. 2006). Da es sich also eindeutig empfiehlt, die erforderliche Menge an Kohlehydrate möglichst bald nach der Belastung zu sich zu nehmen, ist Milch möglicherweise eine gute Lösung. Denn innerhalb der empfohlenen 30 bis 45 Minuten (Karp et al. 2006) nach dem Sport eine Mahlzeit zu sich zu nehmen, ist in der Praxis oft nicht realisierbar.

Wiederherstellung des Flüssigkeitshaushalts

Je nach Intensität, Dauer und äußeren Einflüssen (z.B. Hitze) der Belastung, kann der Körper über den Schweiß viel Flüssigkeit verlieren (Shirreffs, S. M., Watson, P., & Maughan, R. J., 2007). Die Leistungsfähigkeit des Sportlers steht in Zusammenhang mit dem Hydrierungsstatus. Eine Hypohydrierung (Unterwässerung des Körpers) führt zu einer verminderten Thermoregulation und zu einer erhöhten Belastung des Herz-Kreislauf-Systems (Watson et al. 2008). Die Folge dessen ist eine herabgesetzte Leistungsfähigkeit. Es sollte also das Bestreben des Sportlers sein, während und nach dem Sport möglichst im euhydrierten Zustand (Gleichgewicht des Flüssigkeitshaushalts) zu bleiben bzw. schnell dorthin zurückzukehren.

Die Nieren setzen selbst im hypodydrierten Zustand des Körpers die Urinproduktion fort. Zudem führt die Einnahme hoher Flüssigkeitsmengen zusätzlich zur Stimulation der Urinproduktion (Shirreffs et al. 2007). Deshalb gilt die Empfehlung, 150% der über den Schweiß verlorenen Menge an Flüssigkeit nach der Belastung über Getränke zu sich zu nehmen (Roy, B. D., 2008; Shirreffs et al. 2007).

Die Einnahme von hohen Flüssigkeitsmengen alleine reicht jedoch nicht aus. Damit der Körper die Flüssigkeit optimal aufnehmen kann und sie damit ins Blut übergeht, sollte das gewählte Getränk mit Elektrolyten versetzt sein (Shirreffs et al. 2007). Durch die darin enthaltenen Mineralien, bietet sich auch hier die Milch an. Die unten stehende Tabelle zeigt die Bestandteile der Milch im Vergleich zu einem kommerziellen Sportgetränk.

Proteinsynthese

Für die Regeneration der Muskulatur über die Wiederherstellung der Proteinbalance benötigt der Körper nach der Belastung auch Proteine. Die Eiweiße als Bestandteil sprechen für die Milch als mögliches Sportgetränk.

Menge pro 100 g Kommerzielles Sportgetränk (Beispiel*) Fettreduzierte (1%) Milch
Energie (kcal) 30 42
Kalium (mg) 150
Natrium (mg) 64 44
Calcium (mg) 32 125
Magnesium (mg) 12 11

*Isostar Hydrate & Perform Sports Drink Orange (Nutrition & Santé SAS)

Quellen: United States Department of Agriculture: Agricultural Research Service, National Nutrient Database for Standard Reference Release 27 (www.ndb.nal.usda.gov/ndb/foods); Nutrition & Santé SAS (www.isostar.de/de-de/hydrate&perform-orange-400g.html)

 

Milch als Sportgetränk

Glycogenresynthese

Der in der Milch enthaltene Milchzucker (Laktose) dient dem Sportler als Energielieferant, wodurch die Speicher der Muskeln und der Leber in Form von Glycogen schnell wieder aufgefüllt werden können (Roy 2008).

Einen weiteren Vorteil den die Milch im Vergleich zu kommerziellen Sportgetränken besitzt, sind die Proteine. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Glycogenspeicher mit der zusätzlichen Einnahme von Proteinen schneller aufgefüllt werden können als bei der Aufnahme von Kohlehydraten alleine (Saunders et al. 2011). Eine Studie verglich die Leistungsfähigkeit zweier Testgruppen nach einer die Glycogenspeicher entleerenden Belastung und der darauf folgenden Einnahme von Milch bzw. einem Kohlehydratgetränk. Die Milchgruppe konnte bei der erneuten Belastung eine höhere Leistung abrufen als die Gruppe, die nur Kohlehydrate zu sich nahm (Watson et al. 2008).

Um dem Körper über die Milch zusätzliche Kohlehydrate zuzuführen findet die Schokoladenmilch als Sportgetränk mehr Beachtung. Hierdurch werden die Glycogenspeicher noch schneller aufgefüllt (Saunders et al. 2011).

Zur kurzfristigen Glycogenresynthese nach der sportlichen Belastung kann man also zu dem Schluss kommen, dass Milch mindestens genauso effektiv, wenn nicht effektiver ist, wie ein kommerzielles Sportgetränk (Roy 2008).

Rehydrierung

Im Rehydrierungsprozess nach der Belastung kommt es nicht nur auf die Menge der Flüssigkeit an, die der Sportler zu sich nimmt. Auch die Zusammensetzung des Getränks ist von entscheidender Bedeutung. Allein pures Wasser in hohen Mengen zu sich zu nehmen, um den Flüssigkeitshaushalt wiederherzustellen reicht nicht aus.  Das Trinken von hohen Mengen Wasser stimuliert die Urinproduktion und verringert zudem das Durstgefühl. Hierdurch wird der Rehydrierungsprozess heraus gezögert (Watson et al. 2008).

Eine wichtige Rolle für die Verwertung von Flüssigkeit im Körper spielen die im Getränk enthaltenen Elektrolyte (Shirreffs et al. 2007). Deshalb sind den kommerziellen Sportgetränken zur Rehydrierung diese Elektrolyte zugesetzt. Die oben stehende Tabelle zeigt jedoch, dass handelsübliche Milch in den Mengen von Natrium, Calcium und Magnesium durchaus mit diesen Getränken mithalten kann.

Einen Vorteil gegenüber Wasser und kommerziellen Sportgetränken bietet die Milch in ihrer hohen Energiedichte (Kalorien pro Gramm)  durch die darin enthaltenen Proteine und Fette. Dadurch verbleibt die Flüssigkeit länger im Magen und kann langsamer in den Blutkreislauf übergehen (Shirreffs et al. 2007). So geht die zu sich genommene Flüssigkeit nicht ungenutzt über die Nieren verloren, was sich in der geringeren Menge an ausgeschiedenem Urin wiederspiegelt (Saunders et al. 2011).

Auch zum Zweck der Rehydrierung hat die Milch als Sportgetränk klare Vorteile gegenüber Wasser oder kommerziellen Sportgetränken. Die Wiederherstellung des Flüssigkeitshaushaltes ist mit Milch sogar noch effektiver (Roy 2008).

Proteinsynthese

Jeder Sportler weiß, dass zur Regeneration auch die Zufuhr von Proteinen gehört, um die zerstörte Muskulatur wieder aufzubauen. Die Mischung verschiedener Proteinformen der Milch (Casein und Molkenprotein etwa im Verhältnis 3:1) sorgen für die gleichmäßige Abgabe und die längerfristige Versorgung der Muskeln mit Aminosäuren (Roy 2008).

Fazit

Wie oben beschrieben, ist Milch in vielerlei Hinsicht eine gute Alternative zu kommerziellen Sportgetränken für die Regeneration des Sportlers.

Wegen ihrer Elektrolyte und Proteine bietet sich die Milch für Ausdauersportler zur Rehydrierung an und ist in dieser Hinsicht sogar effektiver als andere Sportgetränke. Die Flüssigkeit kann vom Körper mit Milch besser verwertet werden und geht nicht über den Urin verloren (Roy 2008).

Nach einer intensiven Belastung füllt die Milch mit ihren Kohlehydraten (Laktose) die Glycogenspeicher auf. Besonders bei sportlichen Belastungen mit kurzen Regenerationszeiten (z.B. im Turnier) bietet die Milch Vorteile. Auch hier spielen die Proteine, die die Speicherung der Energie unterstützen eine die Regenerationszeit verkürzende Rolle. Werden mehr als die in der reinen Milch enthaltenen Kohlehydrate benötigt, kann Schokoladenmilch eine Lösung sein. Zudem können die im Kakao enthaltenen Flavonoide den oxidativen Stress im Körper positiv beeinflussen. Angesichts dessen ist Milch den kommerziellen Sportgetränken sogar vorzuziehen (Saunders 2011). Ein 70 kg schwerer Mann nimmt die empfohlene Menge an Kohlehydraten (1.2-1.5 g pro kg Körpergewicht) über 500 bis 800 ml Schokoladenmilch (je nach Fabrikat) zu sich (Karp et al. 2006).

Milch hat eine hochwertige Zusammensetzung aus Proteinen, die für eine gleichmäßige Versorgung der Muskeln sorgt. Die Proteinbalance wird effizient wiederhergestellt und eine erneute Belastung ist schneller wieder möglich.

Generell geht die Empfehlung zur fettreduzierten Milch, da Sportler häufig eine festgelegte Kalorienration am Tag zu sich nehmen. Es wäre ungünstig, den Energiebedarf über zu viel Fett zu decken und deshalb auf Kohlehydrate zu verzichten (Saunders 2011).

Alles in allem ist Milch als Sportgetränk zu empfehlen, zudem sie günstig und gut transportabel ist.

Referenzen

Karp, J. R., Johnston, J. D., Tecklenburg, S., Mickleborough, T. D., Fly, A. D., & Stager, J. M. (2006). Chocolate milk as a post-exercise recovery aid. International journal of sport nutrition and exercise metabolism16(1), 78.

Roy, B. D. (2008). Milk: the new sports drink? A review. Journal of the International Society of Sports Nutrition5, 15.

Saunders, M. J. (2011). Carbohydrate-protein intake and recovery from endurance exercise: Is chocolate milk the answer?. Current sports medicine reports10(4), 203-210.

Shirreffs, S. M., Watson, P., & Maughan, R. J. (2007). Milk as an effective post-exercise rehydration drink. British Journal of Nutrition98(01), 173-180.

Watson, P., Love, T. D., Maughan, R. J., & Shirreffs, S. M. (2008). A comparison of the effects of milk and a carbohydrate-electrolyte drink on the restoration of fluid balance and exercise capacity in a hot, humid environment. European journal of applied physiology104(4), 633-642.

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