Rückenschmerzen sind weit verbreitet und werden heute als „Volkskrankheit“ bezeichnet. 2016 gaben 83% der erwachsenen Deutschen an, innerhalb der vergangenen 12 Monate an Rückenschmerzen gelitten zu haben. Der Anteil an Arbeitsunfähigkeitsfällen aufgrund von Rückenschmerzen lag in jenem Jahr bei 5,5% (Quelle: statista.com). Doch Betroffene sind häufig nicht nur in ihrem Arbeits-, sondern auch in ihrem privaten Alltag beeinträchtigt.
Rückenschmerzen kann viele Ursachen haben: Bandscheibenvorfall, Skoliose, Spondylitis, Arthrose uvm. Doch in 80 bis 90% der Fälle wird die Diagnose des sogenannten unspezifischen Rückenschmerzes getroffen. Dabei kann keine eindeutige Ursache ausgemacht werden. Dieser Artikel erklärt wie unspezifischer Rückenschmerz entstehen kann und was du dagegen tun kannst.
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Wie entstehen unspezifische Rückenschmerzen?
Rückenschmerzen entstehen nicht von heute auf morgen. Häufig wurde eine Art Teufelskreis schon mehrfach durchlaufen (Grafik 1). Fehlbelastungen des Rückens aus physiologischen Gründen wie einer Muskelschwäche oder einseitige Belastungen im Job führen auf längere Sicht zu Schmerzen. Um diesem Schmerz aus dem Weg zu gehen, werden bestimmte Bewegungen gemieden und willkürliche oder unwillkürliche Ausweichbewegungen gefunden. Die Fehlbelastungen werden verstärkt und der Teufelskreis nimmt seinen Lauf.

Grafik 1: Entstehung des unspezifischen Rückenschmerzes
Wie entwickeln sich chronische Rückenschmerzen?
Heutzutage blicken Therapeuten nicht mehr nur aus physiologischer Sicht auf Krankheiten. Das biopsychosoziale Modell betrachtet in der Entwicklung auch psychische und soziale Faktoren, die eine Behandlung erschweren oder begünstigen können. Grafik 2 zeigt das Zusammenspiel der Faktoren beim Rückenschmerz. Die Ausprägung der einzelnen Faktoren und deren Beeinflussung der Gesamtsituation ist bei jedem unterschiedlich stark.

Grafik 2: Biopsychosoziales Modell in der Entwicklung chronischer Rückenschmerzen
Was kann ich gegen meine Rückenschmerzen tun?
Rückenschmerzen waren im Jahr 2017 mit Abstand der häufigste Verordnungsgrund für Physiotherapie (19,8%). Zusammengenommen mit sonstigen Erkrankungen der Wirbelsäule waren es sogar 31,4% (Quelle: statista.com). Ein Review über Trainingsmethoden zur Verbesserung der Symptomatik bei unspezifischem Rückenschmerz zeigte jedoch, dass die Schmerzen der Probanden auf einer Skala von 0 bis 100 im Schnitt nur um 3,4 Punkte gesenkt werden konnten. Das ist nicht wirklich ein Wert, der dich zur Aufnahme eines Trainings motivieren könnte.
Was läuft falsch beim Rückentraining?
Schaut man sich die praktische Gestaltung vieler Trainingsprogramme an und vergleicht sie mit den theoretischen Grundprinzipien der Trainingswissenschaft, liegen mögliche Gründe für den Misserfolg der Trainings auf der Hand.
- Fehlende Kontinuität: Für Krankengymnastik bekommen gesetzlich Versicherte in der Regel 6 Einheiten über jeweils 25 Minuten verschrieben. Diese Zeit wird dafür genutzt, dass du die Bewegungsabläufe der Übungen für ein Trainingsprogramm erlernst. Deine eigentliche Arbeit beginnt erst danach! Werden die therapeutischen Empfehlungen nicht oder nur halbherzig befolgt, waren die investierten 150 Minuten für die Katz. Denn der Erfolg kommt erst mit der Kontinuität.
- Fehlende Individualität: Es gibt standardisierte, z.B. an Pilates angelehnte Trainingsprogramme zur Stabilisation der Wirbelsäule. Doch diese können individualisierte Programme, die auf deine spezielle Situation zugeschnitten sind, nicht ersetzen.
- Fehlende Variabilität: Auch, wenn du dir in der Physiotherapie ein Trainingsprogramm erarbeitet hast, wirst du nach einiger Zeit an den Punkt kommen, an dem dich das Training nicht mehr fordert. Spätestens dann müssen Übungen variiert, ersetzt oder in ihrer Intensität gesteigert werden. Diese langfristige Trainingssteuerung durch einen Experten fehlt in vielen Fällen jedoch.
Im o.g. Review wurde eine durchschnittliche Senkung des Rückenschmerzes um 18,1 Punkte (!) ermittelt, wenn das Trainingsprogramm
- individuell,
- in seiner Intensität angepasst,
- variabel und
- von einem Profi gesteuert
war.
Wie sieht das optimale Training gegen Rückenschmerzen aus?
Auf lange Sicht kannst du mit einem generellen Krafttraining die gleichen Erfolge erzielen wie mit einem Programm mit speziellen Übungen zur Stabilisation der Wirbelsäule. Dennoch spielt besonders in der Anfangsphase deines Trainings der Core eine wichtige Rolle. Die Muskulatur des Rumpfes ist im Yoga und Pilates auch unter den Namen Powerhouse bekannt. Die Definition des Core ist nicht einheitlich, beschreibt aber im Allgemeinen eine Einheit aus 29 Muskelpaaren im Bereich von Lendenwirbelsäule, Becken und Hüftgelenken zur Stabilisation der Wirbelsäule und des Beckens.
Neuromuskuläres Training gegen Rückenschmerzen
Nun könnte man denken, dass diese Muskeln bei Menschen mit unspezifischem Rückenschmerz zu schwach sind. Sicherlich spielt das Training der Kraft eine wichtige Rolle. Doch bei vielen Betroffenen sind nur einzelne Muskeln des Core abgeschwächt. Häufiger ist die Ansteuerung oder das Zusammenspiel der Muskeln gestört. So werden für Bewegungen die großen, oberflächlichen Muskeln aktiviert, wobei die tiefliegenden Muskeln (Abb. 1 und 2) zu spät oder mit zu wenig Kraft aktiviert werden. Diese grobe Muskelaktivierung erhöht die Kompression auf die Wirbelsäule. Das rechtzeitige Einsetzen der tiefliegenden Muskeln wäre zudem wichtig, da sie die Feinabstimmung in der Stabilisation der Wirbelsäule übernehmen. Das Erlernen optimierter Bewegungsabläufe zur Aktivierung abgeschwächter Muskeln wird neuromuskuläres Training genannt.

Abb. 1: Der M. transversus abdominis gehört zur tiefliegenden Bauchmuskualtur und spielt in der Stabilisation der Wirbelsäule eine wichtige Rolle.

Abb. 2: Der M. multifidus verbindet die Wirbelkörper miteinander und ist somit für die Feinabstimmung in der Stabilisation der Wirbelsäule zuständig.
Krafttraining
Wie ein generalisiertes Krafttraining für die Muskeln aller Körperpartien den Rückenschmerz lindern kann, zeigt folgendes Beispiel: Ist die angrenzende, rückwärtige Hüftmuskulatur abgeschwächt, kann sie ihre Funktion der Hüftstreckung nicht ausreichend erfüllen. Infolge dessen wird die Bewegung von der Hüfte auf die Lendenwirbelsäule verlagert und die Wirbelsäule ständig überstreckt (Video). Das funktionelle Training der Gesäßmuskulatur, sowie des ganzen Körpers spielt also eine ebenso wichtige Rolle wie das Coretraining.
Zusammenfassung
- Sei nicht verwundert, wenn dein Arzt keine Ursache für deinen Rückenschmerz finden kann. Der überwiegende Teil der Betroffenen leidet am unspezifischen Rückenschmerz.
- Die Grundpfeiler für deinen Trainingserfolg sind Kontinuität, sowie die Individualität und Variabilität deines Programms.
- Die reine Kraft ist ein wichtiger Aspekt deines Trainingsprogramms. Aber auch das Erlernen neuer Bewegungsabläufe über funktionell-dynamische Übungen ist erforderlich, um die Kontrolle über die Stabilisation der Wirbelsäule und des Beckens zurückzugewinnen.
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Referenzen
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Smith, B. E., Littlewood, C., & May, S. (2014). An update of stabilisation exercises for low back pain: a systematic review with meta-analysis. BMC musculoskeletal disorders, 15(1), 416.
Ülsmann, T. (2017). Progressives Core-Training. Leistungslust, 2(2), 48-53.
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